Eliane
14.03.2023

Wer ist schuld am Ladensterben?

Lesezeit: 3 Minuten

Geschockt! Immer noch.

Mein Go-To-Bioladen mit all den speziellen Lebensmitteln, die ich regelmässig gekauft habe, ist einfach subito zu! Vom Markt verschwunden. Konkurs!

Berichte wie dieser: https://www.watson.ch/schweiz/wirtschaft/806644584-reformhaus-konkurs-dieser-mechanismus-steckt-hinter-dem-laedeli-sterben
geben dem Kunden die Hauptschuld.

Aber ist wirklich der Kunde schuld daran, dass 37 Läden schliessen mussten?
Ist es so einfach, mit dem Finger auf den Kunden zu zeigen und Schuldzuweisungen zu machen?

CX Store Reformhaus
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Nähern wir uns dem Sachverhalt aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive mit Fokus auf Kundenzentrierung und Erfüllung von Kundenbedürfnissen, sieht es plötzlich ganz anders aus. Es wurde mir klar, dass es nicht nur um die Kunden geht, sondern um die gesamte Kundenerfahrung.

Kundenzentrierung bedeutet, dass ein Unternehmen seine Kunden in den Mittelpunkt stellt und deren Bedürfnisse erfüllt. Es bedeutet, mehr als nur freundlich, kompetent und hilfsbereit auf den Kunden einzugehen. Es geht darum, das Kundenerlebnis entlang der gesamten Customer Journey zu verbessern, von der Information, Produkt- oder Dienstleistungsentwicklung bis zu Angebot, Verkauf, Kundenservice bis zu Folgegeschäft und After Sales Experience.

Ein wirklich kundenzentriertes Unternehmen geht aktiv auf seine Kunden zu und antizipiert deren Bedürfnisse, um ihnen ein optimales Kundenerlebnis zu bieten. Es identifiziert Pain Points entlang der Customer Journey und entwickelt Lösungen, um diese zu beseitigen.

Es geht darum, sich an Veränderungen anzupassen und zu testen, wie man mit den Kunden in Interaktion treten kann, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Es geht auch darum, sich den unbequemen Fragen zu stellen und die kritischen Stimmen im Unternehmen zu hören.

Leider verstehen viele Unternehmen Kundenzentrierung noch immer nicht als grundlegenden Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie. Sie konzentrieren sich auf kurzfristige Ziele und vernachlässigen dabei die langfristige Kundenzufriedenheit und -bindung.

Gerade in finanziell angespannten Zeiten wollen Unternehmen Kosten senken und Preise erhöhen, kennen jedoch oft die wahren Kundenbedürfnisse gar nicht. Und wenn diese nicht erfüllt werden, bringen auch reine Sparmassnahmen – die oft sowieso nicht am wirkungsvollsten Punkt ansetzen – und erst recht Preiserhöhungen überhaupt nichts.

Zuerst müssen die Kundenbedürfnisse erfüllt sein und ein positives Kundenerlebnis vorhanden sein, dann sind Kunden auch bereit mehr zu bezahlen. Umgekehrt funktioniert es nicht! Nur so kommt es zu Weiterempfehlungen, Netzwerkeffekten und positiven Bewertungen. Sonst wandern Kunden ab zu Wettbewerbern. Dauerhaft.

Beim Reformhaus Müller habe ich zudem eine zeitgemässe Verbindung von online und offline vermisst. Das Unternehmen hat mich, meine Bedürfnisse und Einkaufsgewohnheiten offenbar überhaupt nicht gekannt.

Bezüglich Preisstrategie ist es aus meiner Sicht ebenfalls zu einfach, sich darauf zu berufen, dass Kunden sagen “es ist zu teuer”. Zu teuer im Vergleich wozu und in Bezug auf welche Erwartungen und Bedürfnisse? Warum spielt der Preis plötzlich eine so wichtige Rolle beim Thema gesunde Lebensmittel? Warum schaffen es andere Unternehmen, auch im Retailbereich, in Krisen hohe Margen und Gewinne zu erwirtschaften? Wieso können andere Anbieter die gleichen Produkte deutlich günstiger anbieten?

CX Store Pricing Strategy



Niemand zahlt gerne zu viel für ein Produkt. Was ausser dem Preis spielt noch eine Rolle?

Ein kleines Beispiel: Der Bioladen hatte meist schon geschlossen, wenn ich von der Arbeit nach Hause kam. Ich konnte also nie meine Lieblingsprodukte kaufen, wenn ich sie wirklich brauchte oder Lust darauf hatte. Was wäre, wenn ich meine Bestellung am Vormittag digital per Handy aufgeben und an einem SBB-Bahnhof oder einem anderen Shop liefern lassen könnte, während ich noch auf dem Weg nach Hause bin? Oder in einer Abholbox? Oder ein Lieferdienst? Ich könnte meine Bestellung auch in einem Paketshop abholen und es würde mir Zeit und Aufwand sparen. Vielleicht war so etwas sogar möglich, aber ich wusste es nicht?

Kundenzentrierung erfordert Mut, unbequeme Fragen zu stellen und neue Wege zu gehen. Es bedeutet, dass Unternehmen ihre Strategieentwicklung nicht auf Finanzcontrolling oder Marketing abschieben sollten, sondern auch kritische Stimmen an den Managementtisch einladen müssen. Qualitative Kundeninterviews und das Erkunden der Lebensgewohnheiten von Nicht-Kunden können dabei helfen, Entwicklungen und Trends zu antizipieren.

Insgesamt bin ich der Ansicht, dass Kundenzentrierung für Unternehmen überlebenswichtig ist. Nur Unternehmen, die es schaffen, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu erfüllen und ein optimales Kundenerlebnis – unabhängig vom Pricing – zu bieten, werden langfristig erfolgreich sein. Zahlreiche Studien belegen dies eindrücklich.

Wie siehst du es? Andere Meinung? Andere Vorschläge? Austausch zu CX? 

Melde dich gerne bei mir, wenn du mehr über Human Experience Design erfahren möchtest.

Deine CX-Shaperin Eliane

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ElianeVancura

Human Centred Design Coach mit mehr als 10 Jahren internationaler CX-Erfahrung und Stammkunde vom Reformhaus Müller